Nordseeritt

Der Sommer war vorbei. Zweifellos. Mitte Oktober fiel der erste Schnee in den Mittelgebirgen und die Herr Nilsson sollte auf ihrer letzten Tour für dieses Jahr ans Ijsselmeer verlegt werden. 

Also hieß es Wollsocken, Thermoskannen und die passende Crew zusammen zu suchen. Im vollgepackten Mietwagen ging es zusammen mit meiner Mutter und Katrin nach Lübeck, wo wir das Wochenende gemeinsam verbrachten. In Travemünde stieg Alfred (Papa einer meiner Schüler) dazu, um mit mir das Schiff nach Fehmarn zu bringen. Dort angekommen, wurde nochmal der Sicherheits-Standard an Bord den Nordseeverhältnissen angepasst - neben AIS Transponder, der dafür sorgt, dass die Herr Nilsson von anderen Schiffen auf dem Bildschirm gesehen wird, sind jetzt eine EPIRB und eine IOR Rettungsboje an Bord.

 

Für die lange Etappe zur Kieler Bucht und weiter durch den Nord-Ostsee-Kanal, kam Martin hoch an die Ostsee. Der musste auch gleich ordentlich anpacken und Doppelschichten im Kanal kloppen, da der Skipper gesundheitlich schwächelte. Ab Brunsbüttel, bzw. Cuxhaven waren dann mit Christof aus dem Frankfurter Yachtclub und Tombel alle Mann an Bord. Wie viel Kopfzerbrechen hatten wir uns vorher über die Wetterverhältnisse zu dieser Jahreszeit auf der Nordsee gemacht? Wie oft mussten wir uns im Vorfeld anhören, dass uns eine recht ambitionierte Tour bevorstehen würde?

Mit dem Update des Wetterberichts am 25.10. hatten wir Gewissheit, dass das Wetter voll auf unserer Seite sein würde. Der vorher geopferte Sherry hatte sich als gute Investition erwiesen. Südlicher Wind zum Start der Tour in der Nacht von Sonntag auf Montag, der weiter auf Südost drehen und mit einer Stärke von 4-5 Beaufort blasen sollte. 

 

Zum ersten Morgenrauen lag die Elbmündung bereits hinter und die Berufsschifffahrt der Jade-/Wesermündung vor uns. Ganz schön was los da draußen, wie der Screenshot der AIS Signale unter der Überschrift verdeutlicht. Gelb = dicke Pötte / Blau = Fischer. Die Taktik, genau zwischen diesen Beiden in Richtung Westen zu segeln, erwies sich als überaus sinnvoll.

Da einer der Crew nach der ersten Nacht seekrankheitsmäßig über weite Strecken ausfiel, stand uns anderen eine lange zweite Nacht bevor. In der zwölfstündigen Dunkelheit wurde alle 1,5 Std. einer an Deck ausgetauscht und in die Koje geschickt. "Fischerslalom" könnte man das bezeichnen, was Martin und Christof nachts mit knapp 9 Knoten Geschwindigkeit aufs Parkett legten. Und das, obwohl Großsegel und die Genua im zweiten Reff standen. Der Wind frischte auf 20 Knoten auf und bescherte uns eine Rauschefahrt durch die mondhelle, sternenklare Nordseenacht. 20 Grad wärmer und man würde sagen "P_E_R_F_E_K_T".

 

Da wir schneller als vorher kalkuliert waren, ließen wir die holländische Insel Terschelling im wahrsten Sinne des Wortes "links liegen" und erreichten auf den letzten Drücker das Hochwasser-Zeitfenster zum Sonnenaufgang in Den Helder. Nach 32 Stunden nonstop-segeln und einer einzigen Wende, lagen 184 nautische Meilen hinter uns im Kielwasser. Wir klopften uns gegenseitig anerkennend das Salzwasser von der Schulter, machten "klarschiff" und fielen in unsere feucht-kalten Kojen. 

Am nächsten Morgen ging es bereits mit dem auflaufenden Hochwasser um 6:00 Uhr morgens weiter in Richtung der Ijsselmeerschleuse von Den Oever.

Einfach wäre ja zu einfach! Eine Sicht zwischen 50-100 Metern, aufgrund zähen Nebels, hing über dem Wattfahrwasser. Aus der Ferne hörte man die Fähre tuuuuten. Und neben dem tiefen, satten Fährentuuuten, war ein krächzendes "törrröööö" vom Bug der Herr Nilsson zu vernehmen. Zunächst heulte erst Martin, dann Tombel mit den Seewölfen um die Wette. Aus dem Niedergang navigierte Christof mich von Wegpunkt zu Wegpunkt, durch das immer schmaler werdende Fahrwasser. Kurz vor dem Ijsselmeer löste sich der Nebel in Luft auf. Ganz schön gruselig so mit 4 Knoten Geschwindigkeit im Nebel herum zu stochern.

 

Den Rest der Strecke könnte man als Kür bezeichnen. Die letzten Tage der Tour über Medemblik nach Stavoren waren nicht nur kurze Segeletappen, sondern ein krönender Abschluss einer tollen Segelsaison. Blauer Himmel und 3-4 Windstärken aus der richtigen Richtung. Wenn nicht das immer größer werdende Chaos unter Deck und die feuchte Kälte gewesen wären, hätte man glatt noch weiter cruisen können. So stand aber nach 14 Tagen und insgesamt 410 zurückgelegten Meilen fest... jetzt reicht's erstmal. Zeit die Herr Nilsson ins Winterlager zu packen und nach Hause zu fahren. Good Bye 2015!



...einige Fotos sind von Martin! Danke fürs zur Verfügung stellen!